The Library
Das Kunstwerk der Natur – sei es ein Berg, ein Tal oder die bewegten Wellen – eine Weile lang mit einem immer tieferen Gefühl zu betrachten, bis das eigene Selbst vergessen ist, ist auch eine Yoga-Praxis.
3.3.6.13In der Abgeschiedenheit der Natur, in ihren Wäldern, Bergen und Wiesen, ist es leichter, die philosophische Dreifaltigkeit von Güte, Wahrheit und Schönheit zu kultivieren als in den überfüllten Stadtteilen.
3.3.6.20Eine unversehrte Landschafts -, Wälder -, Meeres – oder Gebirgsszene mit ihrer stillen Kontemplation bringt einer sensitiven Person eine nostalgische Sehnsucht, zur wahren geistigen Heimat zurückzukehren.
3.3.6.39Es gibt eine Eigenschaft, die den Menschen zu Beginn der jährlich wiederkehrenden Frühjahrszeit erneut befügelt. Es ist die Hoffnung.
3.3.6.42Es ist eine allgemeine Erfahrung, daß uns auf den Wanderwegen in schattigen Wäldern eine Atmosphäre von großem Frieden entgegenschlägt. Es braucht uns nicht zu wundern, daß es leichter ist, die inwendige Stille an solchen und ähnlicher Orten zu finden. Freilich stimmt es, daß die Menschen in fast jeder Art von Umgebung ihren Weg zum Überselbst gefunden haben, aber wenn sie mit der ursprünglichen Natur alleine waren, gab es mehr Hilfe und weniger Konflikt.
3.3.6.44Von dem Hügel, auf dem ich wohne, ganz am Rande von Montreux, schweift der Blick meines Fensters entlang steiler Weinberge. Es hat eine weite Aussicht. Das bedeutet viel, wenn man jeden Tag, jedes Jahr, mit fünfzig Familien im selben Gebäude in einer kleinen Wohnung eingeschlossen leben muss. Ich mag die Freiheit der Zurückgezogenheit, den Blick durch den freien Raum. Die grüne Landschaft zumindest für ein paar Minuten meine Gedanken in eine angenehme Harmonie mit der Natur entführen zu lassen, ist ein tägliches Bedürfnis, kein Luxus. Noch länger zu sitzen und sich im Bewusstsein weit zu entfernen, bis eine weltfremde Stille erreicht ist, ist mein abendliches Brot.
3.3.6.51Der Gärtner, der seine Blumen und Sträucher mit liebevoller Geduld wässert, wird dafür mit deren Liebe belohnt. Nicht daß diese wie die menschliche wäre, aber sie stellt das genaue Gegenstück auf der Ebene der Pflanzen dar.
3.3.6.54Die Schönheit der Blume ist einfach ein Hinweis, der uns daran erinnert, schön zu denken, zu sprechen und zu handeln.
3.3.6.55Wenn wir von der Belanglosigkeit der Menschheit angewidert sind, dürfen wir uns in Bewunderung der Hehrlichkeit der Natur zuwenden.
3.3.6.85Auf einen feinfühligen Menschen mag die sanfte Schönheit der Natur so stark wirken, daß er innehält, eine Weile reglos verharrt, den Anblick voller Bewunderung würdigt bis er sich ganz darin verliert. Das Ego und dessen Belange verblassen. Unwissentlich nähert er sich dem köstlichen Frieden des Überselbst.
3.3.6.102Auf der Reise schrieb Goethe seinen Freunden in Deutschland über eine Prinzessin, die er in Neapel getroffen hatte--sie war jung, fröhlich und oberflächlich--die ihm geraten hätte, sie auf ihrem großen Landgut in Sorrento zu besuchen, wo „die Bergluft und herrliche Aussicht ihn von aller Philosophie kurieren würden!“ Einige von uns würden dadurch allerdings nur noch mehr für die Philosophie brennen.
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2 Mä 2024
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